Simbach am Inn
Simbach am Inn (Bayern):
Anfang April 1999 zeigte die Mutter einer 15-jährigen Schülerin den seinerzeit 44-jährigen Pfarrer Thomas B. wegen sexuellen Missbrauchs ihrer Tochter an. Zuvor stößt sie überall in der Gemeinde auf Widerstand. Ein Anwalt erscheint und schlägt einen Handel vor: Die Kirche sei eingeweiht, der Pfarrer würde nie wieder eine Robe anziehen; Bedingung: die Tochter dürfe nicht bei der Polizei aussagen, da es natürlich auf keinen Fall einen Prozess geben könne. Der Kreisdekan schreibt und erklärt die Befragung weiterer Personen für überflüssig. Der Kirchenvorstand schützt seinen Pastor; die Polizistin hat keine Termine frei; Eltern, die von dem Pfarrer getraut worden waren und ihn jeden Sonntag so leidenschaftlich predigen hörten, entscheiden sich für die Ruhe im Ort und gegen einen Skandal. Und damit gegen ihre Töchter, die laut eigenen Aussagen ebenfalls missbraucht worden waren. Laut Aussage der Mutter bot der Oberkirchenrat ihr sogar Geld: "Verreisen Sie. Die Kirche zahlt alles." Die evangelische Landeskirche bestreitet, jemals Schweigegeld offeriert zu haben.
Nach der Anzeige Anfang April suspendierte die Kirchengemeinde Simbach am Inn den Pfarrer vom Dienst. Der Kirchenvorstand hielt einen Wortgottesdienst und ließ für den Pfarrer beten. Nach einer Anhörung des Theologen im Landeskirchenamt wurde ein kirchliches Disziplinarverfahren eingeleitet. Dem betroffenen Mädchen wurde seelsorgerliche und therapeutische Hilfeangeboten. Am 19. April 2000 wurde der Pfarrer für ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung verurteilt.
Das von der Kirche eingeleitete Disziplinarverfahren endete damit, dass man Thomas B. für 4 Jahre in den Wartestand versetzte. Die Kirchenleitung lehnte es ab, der Betroffenen eine Entschädigung zu zahlen, übernahm jedoch Anwalt- und Prozesskosten, als diese daraufhin auf Anraten der Kirche den verurteilten Pfarrer auf Schmerzensgeldforderungen verklagte. Am 15. Januar 2001 wurde der Pfarrer antragsgemäß zur Zahlung von 10.500 DM zuzüglich aller entstandenen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden verurteilt.
Heidi Schmideder, die Mutter der Betroffenen, hat über diesen Fall ein Buch geschrieben: „Die Mädchen des Pfarrers“, es ist über den Buchhandel erhältlich.
(Quelle: Spiegel 44/2000, Heidi Schmideder „Die Mädchen des Pfarrers“)
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2000-10-30 SPIEGEL "Der Pfarrer und die Madln: In Simbach am Inn bat eine Mutter den Pastor, er möge auf ihre 14-jährige Tochter aufpassen. Der verstand das auf seine Weise. Für die Mutter begann ein einsamer Kampf - gegen die Kirche und den halben Ort." |
1904 |