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Übergriffe

Missbrauch auch in Berliner Klinik

Das Johannisstift liegt idyllisch im Spandauer Forst
Das Johannisstift liegt idyllisch im Spandauer Forst Foto: Sven Meissner

Im Johannesstift kam es in den 80er- und 90er zu Missbrauch und sexueller Nötigung von Patienten.

Fast täglich sorgen neue Missbrauchs-Enthüllungen an Klöstern und Schulen für Entsetzen. Jetzt wurde bekannt: Auch am Evangelischen Johannesstift gab es Fälle von Misshandlungen und sexueller Nötigung.

Nach B.Z.-Informationen handelt es sich um vier Fälle, die in den 80er- und 90er-Jahren in der Spandauer Einrichtung vorgefallen sind:

Ein Mitarbeiter begann ein Verhältnis mit einer 17-jährigen Betreuten. Besonders verwerflich deshalb, weil das Mädchen noch minderjährig war und zwischen Betreuer und Patienten ein Abhängigkeitsverhältnis bestand. Dem Mann wurde seinerzeit gekündigt. Für ihn gab es strafrechtliche Konsequenzen.

Entlassen wurde auch ein Arbeiter, der ebenfalls mit einer minderjährigen Betreuten intim wurde. Er gehörte zu einer Fremdfirma, die auf dem Stiftsgelände arbeitete.

Ein ständiger Besucher des Stifts wurde des Hauses verwiesen, weil er mehrfach eine ältere Patientin zu sexuellen Handlungen nötigte und ihr blaue Flecken zufügte.

Die Beziehung eines weiteren Pflegers zu einer Betreuten blieb ohne Konsequenzen, da die junge Frau bereits 18 Jahre alt und somit volljährig war.

„Mir sind die Fälle bekannt“, bestätigt der Personalchef des Johannesstift, Hans-Jürgen Rosenberg, im B.Z.-Gespräch.

„Wir vertuschen nichts! Wir gehen gegen solche Fälle mit aller Konsequenz und offensiv vor“, betont auch Stiftsvorsteher Pfarrer Martin von Essen. „So haben wir zum Beispiel einen Mitarbeiter abgemahnt, weil er einen minderjährigen Patienten ohne Genehmigung mit zu sich nach Hause nahm. Und ein Erzieher musste gehen, weil er privat im Rotlichtmilieu verkehrte.“

Nähe gewünscht, Distanz notwendig

Der Berliner Psychologe Oliver Berg (38) weist die Verantwortung eindeutig den Stiftsmitarbeitern zu: „Bei der Betreuung von Minderjährigen und Behinderten ist die Verantwortung für den Pfleger besonders groß, weil oft Nähe gewünscht, aber Distanz nötig ist“, sagt Berg. „Wenn sich so eine Liebesbeziehung anbahnt, muss der Betreuer das Verhältnis sofort abgeben, konsequent sein, auch wenn es eine beiderseitige Liebe ist.“

Stiftsvorsteher von Essen: „Oft handelt es sich um hilflose, bedürftige Menschen, die uns anvertraut werden, bei denen wir Elternersatz sind“ erläutert er. „So gibt es Behinderte, die wollen im Gottesdienst in den Arm genommen werden.“

Im Zweifel muss das Gesetz klären, wo die Fürsorge aufhört und der Missbrauch von Patienten anfängt. Staatsanwalt Martin Seltner (49) erklärt: „Bei Widerstandsunfähigen drohen sechs Monate bis zehn Jahre Haft, bei Vergewaltigungen gibt es Freiheitsstrafen nicht unter zwei Jahren. Bei sexueller Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses legt das Gesetz eine Strafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren fest.“

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